Die Bilder aus den Vereinigten Staaten im September 2016 waren spektakulär. In einer gemeinsamen Aktion verbrannten Hunderte Anhänger der amerikanischen alt-right Bewegung ihre Turnschuhe und stellten Videos davon ins Internet. Neben der Zerstörung ihres eigenen Eigentums, für das die Social Media Brandstifter zuerst teuer bezahlt hatten, ging es den aufgebrachten Bürgern vor allem um eine politische Botschaft an den Sportartikelhersteller Nike. Dieser hatte zuvor mit dem amerikanischen Footballer Colin Kaepernick geworben. Kaepernick war durch alle Medien des Landes gegangen, weil er während der Hymne der Vereinigten Staaten vor Spielbeginn lieber kniete und damit gegen die zunehmende Polizeigewalt im Land protestierte. Vor allem Anhänger des rechten Lagers in den extrem patriotischen Vereinigten Staaten empfanden diese Geste als eine Beleidigung. Sogar Präsident Donald Trump mischte sich ein und bezeichnete den Sportler via Twitter als “Hurensohn”. Kaepernick verlor in den folgenden Monaten seine Karriere, wurde dafür aber zu einem Symbol des Widerstandes. Und genau diesen Ruf nutzte Nike. Die Botschaft: Glaube an dich. Auch, wenn du dafür alles opfern musst.
Gehört Politik in die Werbung?
Der Sportartikelhersteller nahm damit eine klare Haltung in einem Streit ein, der im Grunde nichts mit der Marke oder dem Produkt zu tun hatte. Nike stellte sich mit der Kampagne an die Seite derer, die gegen den zunehmenden Rechtsrutsch in der amerikanischen Gesellschaft demonstrierten. Der Konzern profitierte davon extrem, da die gesamte Medienwelt öffentlich über Nike diskutierte. Sogar die brennenden Schuhe halfen dem Unternehmen mehr, als das sie ihm schadeten. Und doch bleibt eine Frage unbeantwortet: Gehört Politik wirklich ins Marketing?
Zumindest in vielen deutschen Marketingabteilungen und Agenturen gibt es noch immer eine klare Trennung von Politik und Werbung. Nicht nur ist der deutsche Werbemarkt deutlich zurückhaltender und neutraler als sein Gegenstück in den USA. Auch die Menschen in Deutschland reagieren auf politische Botschaften deutlich krasser als in anderen Ländern. Das zeigte zuletzt eine umstrittene Kampagne des Smoothie Herstellers “True Fruits”, der einen Shitstorm erzeugte. Mit bewusst überzogenen Slogans spielte das Unternehmen auf die Flüchtlingskrise in Europa an. Um den Produktlaunch in Österreich zu beflügeln, griffen die Smoothie-Macher auf Werbesprüche wie “Schafft es selten über die Grenze” für einen schwarzen Fruchtmix zurück. Ähnlich wie Nike wollte auch True Fruits damit ein bestimmtes politisches Lager bedienen. In diesem Fall das rechtskonservative Lager der AfD oder der FPÖ. Doch anders als Nike in den USA erntete der Smoothie-Hersteller vor allem harsche Kritik, auf die das Unternehmen sehr unprofessionell reagierte. Zuletzt löschte das Unternehmen einen Beitrag, in dem Kritiker aufs übelste beschimpft wurden. Übertitel war der Post mit “Fuck You”.
Ist Politik im Marketing eine schlechte Idee?
Betrachtet man den Fall von True Fruits, so muss man der Marke attestieren, dass sie zumindest ihr eigenes Publikum nicht verstanden hat. Während sich nämlich viele Smoothie-Fans eher dem Linken- oder Grünen-Lager zuordnen, spielte das Unternehmen mit dem Duktus einer Partei weit am rechten Rand. Anders als Nike in den USA stellte sich das Unternehmen nicht an die Seite der eigenen Kundschaft, sondern präsentierte sich als Gegenentwurf zur mehrheitlichen Haltung der eigenen Unterstützer. Besser hat es da zum Beispiel Nutella gemacht. Der Nuss-Nougat-Aufstrich aus dem Hause Ferrero wurde mit Plakaten in Berlin in Verbindung gebracht, auf denen “Lieber Braun auf dem Brot, als im Kopf” stand. Zwar stammte die Werbung nicht von Nutella, doch der Konzern spielte mit dem Plakat und machte daraus schließlich eine eigene Kampagne. Im Netz gab es dafür großen Applaus.
Und auch andere Marken, wie Coca-Cola, Pepsi, oder McDonalds haben in den vergangenen Jahren immer wieder auch auf politische Botschaften gesetzt. Erfolgreich waren die Kampagnen auch deswegen, da die Konzerne die Haltung eines überwältigenden Anteils der eigenen Kundschaft wiedergaben. Besonders drastisch war die Fastfoodkette in den neuen Bundesländern. Dort ließ das Unternehmen in allen Großstädten Plakate aufstellen auf denen zu lesen war: “Besorgte Bürger? Bei uns nicht!”. Viele Demonstranten der rechtsextremen Pegida und der AfD nahmen diese Herausforderung an und riefen zum Boykott auf. Das überwiegend junge und pro-europäische Publikum von McDonalds gab dafür dem Schnellrestaurant gegenüber der Konkurrenz von Burger King den klaren Vorzug. Auch als Zeichen der Unterstützung für eine politische Haltung.
Politische Botschaften im Marketing? Ja!
Eine politische Haltung im Marketing kann also auch klare Vorteile bringen. Gerade in unruhigen Zeiten stehen auch Unternehmen in der Verantwortung eine klare Kante zu zeigen. Doch sollten Marketing-Expert*innen immer einen Blick für das eigene Publikum haben. So kann eine Kinokette leicht Freitickets an Demonstranten der Fridays for Future Bewegung verteilen. Ein Konzern, spezialisiert auf den Abbau von Braunkohle, würde sich mit einer vergleichbaren Aktion gegen eher schwertun. Wer jedoch geschickt und überlegt mit einer klaren Botschaft auftritt, wird dafür im Regelfall auch belohnt.